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Das Pferd macht sich eng: Leichtes Genick, fehlende Kraft oder mehr?

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Dass Rollkur und das absichtlich enge einstellen von Pferden schädlich ist, ist glücklicherweise längst in aller Munde. Doch was ist mit den Pferden, die sich selbst, also quasi freiwillig, zu eng machen und/oder jedem noch so gut gemeinten und fein angebotenen Zügelkontakt nach rückwärts ausweichen? Die mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten laufen, ohne dass der Reiter sie aktiv in diese Position zieht? Was ist mit den Pferden, die sich eng machen, ohne dass der Reiter das MÖCHTE?

Sind die alle von Grund auf falsch ausgebildet und müssen erst monatelang umtrainiert werden? Macht der Reiter vielleicht doch Fehler, wenn auch unsichtbare oder ist einfach nicht in der Lage, sein Pferd korrekt zu gymnstizieren? Haben diese Pferde ein angezüchtet leichtes Genick und können einfach nur so laufen? Oder fehlt ihnen zum aktuellen Zeitpunkt noch die Kraft, um sich korrekt zu tragen?

Nein. All diese viel zu gebräuchlichen Erklärungen sind zwar oft gut gemeinte, aber dennoch FALSCHE Begründungen für Pferde, die sich eng machen.
Wenn ein Pferd ohne grobe rückwärtsziehende reiterliche Einwirkung, also quasi freiwillig selbst gewählt für länger als zehn Sekunden am Stück mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten läuft, ist das ein wissenschaftlich hieb und stichfester Hinweis auf ein Schmerzproblem (nachzulesen bei Sue Dyson).
Die gesunde, natürliche Kopf-Hals-Haltung mit der Stirn-Nasenlinie vor der Senkrechten hat mit Kraft oder Ausbildung, Alter oder Rasse nichts zu tun, sondern liegt in der Natur jedes gesunden Pferdes! 
Engmachen oder Einrollen (länger als zehn Sekunden am Stück) bedeutet immer, dass es einen aktuellen Reiterfehler in diesem Moment (!) gibt, oder dass es ein aktuelles Schmerzproblem in diesem Moment gibt. 

Vorbesitzer/falsche Ausbildung:
Wenn ein (gesundes!) Pferd beim Vorbesitzer eng geritten wurde und man die Zügel verlängert und ein bisschen treibt, geht es mit der Nase vor die Senkrechte. Bleibt das Pferd Pferd gerollt, obwohl die Zügel längst durchhängen und der jetzige Reiter wirklich nicht zieht oder riegelt, hat es ein Schmerzproblem. 
Selbst wenn Pferde im klassischen Sinne „falsch geritten“ wurden, nehmen (gesunde!) Pferde binnen kürzester Zeit dankbar eine physiologische Kopf-Hals-Haltung ein: Die Verlängerung der Stirn-Nasenlinie zeigt immer dort hin, wohin das Vorderbein tritt. Das bedeutet: Zu großen, raumgreifenden Trabtritten gehört natürlicherweise ein langer Hals mit einem offenen Genickwinkel. Zu kurzen, sehr kadenzierten Trabtritten (etwa im versammelten Trab oder der Piaffe) gehört ein vermehrt aufgerichteter Hals mit der Stirn-Nasen-Linie an der Senkrechte. Das heißt für die Praxis: Verlängerst du die Zügel und die Trabtritte, geht die Nase eines (gesunden!) Pferdes automatisch nach vorne. Wenn ein Pferd die physiologische Kopf-Hals-Position nicht freiwillig einnimmt, ist das ein deutlicher Hinweis auf ein gesundheitliches Problem. Bleibt es also auch im verstärkten Tempo eng im Hals und geht hinter der Senkrechten (auch wenn der Reiter mit der Hand genügend nach vorne fühlt und das Pferd eben nicht absichtlich fälschlich eng oben hinstellt!), hat es ein Schmerzproblem. Das erkennst du manchmal auch am umgekehrten Fall: Wenn du die Zügel aus der Hand kauen lässt, dein Pferd den Hals zwar fallen lässt, sich dann aber in der Tiefe eng macht (ohne dass du es mit unruhiger Hand gezielt rückwärts zupfst) oder zeitgleich nicht mehr flüssig vorwärts geht, ist das ebenfalls nicht physiologisch. 

Trainingspause/Kraftproblem
Wenn ein wenig trainiertes Pferd nach einer Verletzung nicht gut an die Hand heran tritt, wenig „vorwärts zieht“, dann liegt das NICHT an der Trainingspause. Sondern an dem GRUND für die Pause: Auch dieses unerwünschte Zu-eng-gehen bedeutet, dass dieses Pferd (noch immer!) ein Schmerzproblem hat, die Verletzung also möglicherweise nicht ausgeheilt ist oder die wahre Problemursache noch nicht gefunden wurde. 

Jungpferd
Wenn man ein (gesundes!) junges Pferd korrekt anreitet, geht es dabei mit der Stirn-Nasenlinie selbstverständlich freiwillig weit vor der Senkrechten. Denn es ist ja eben noch nicht versammelt, geht deswegen noch nicht von Anfang an beigezäumt „durchs Genick“, sondern in freier Kopf-Hals-Haltung ganz zwanglos: Mit einem eher geraden Hals und einem sehr offenen Genickwinkel. Die Rundung des Halses und die Beizäumung wird im Laufe der Ausbildung erarbeitet – nicht umgekehrt! 

Leichtes Genick/Zuchtproblem
Jetzt wird es spannend: Ja, es gibt viele Pferde mit angeborenen Hals-Problemen (die wenigsten davon allerdings im Genick) und diese gesundheitlich brisanten Themen zeigen sich tatsächlich oft dadurch, dass diese Pferde dauerhaft und freiwillig zu eng gehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das dann für diese Pferde „normal“, oder in Ordnung wäre! Auch und gerade davon betroffene Pferde sollten NICHT auf diese Weise geritten werden. 

JEDES vom Pferd ausgehende Engmachen ist ein eindeutiges Zeichen für ein gesundheitliches Problem des Pferdes. Geht ein Pferd länger als zehn Sekunden freiwillig hinter der Senkrechten, sendet es dir einen Hilferuf. 

Höre hin! 
Speed trifft Harmonie: Der OsteoDressage Harmoniepreis

Im Speedtrail der Pferdesportdisziplin Working Equitation geht es um Geschwindigkeit: Wer den Trailparcours fehlerfrei in der schnellsten Zeit durchreitet, gewinnt. Der Stil fließt in dieser Teilprüfung nicht in die Bewertung ein, aber nichts desto weniger wollen wir natürlich feines, pferdefreundliches Reiten sehen. 
Als Pferdefreunde, Reiter, Richter und Turnierveranstalter liegt es in unser aller Interesse, gutes Reiten zu lernen, öffentlich zu zeigen, zu sehen und zu fördern. Was der Pferdesport unsers Erachtens braucht, sind ein Fokus auf Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier, glückliche Pferde und vorbildliche Reiter – gerade dann, wenn es um Leistung geht!

Deswegen haben wir den OsteoDressage Harmoniepreis ins Leben gerufen und ihn am vergangenen Wochenende auf dem 1. Oberschwaben Cup in Zusammenarbeit mit den Turnierveranstalterinnen Daniela Falkenstein und Sarah Ondrazec und Richterinnen Birte Ostwald und Andrea Jänisch erstmalig verleihen dürfen. 

Wie will man „Harmonie“ zwischen Pferd und Reiter denn bewerten? Ist das nicht subjektiv? 
Jein. Zum einen haben viele Pferdemenschen eine so gut entwickelte Empathiefähigkeit, dass wir intuitiv spüren, wer aus Pferdesicht gut reitet (und das unabhängig vom sportlichen Ergebnis). Außerdem zielen auch die Bewertungskriterien der klassischen Reitlehre – sofern sie korrekt angwendet werden! – alle auf pferdefreundliches, feines Reiten. 
Und zum anderen haben wir mit dem Ethogramm nach Dr. Sue Dyson einen wissenschaftlich erarbeiteten, hieb- und stichfesten Kriterienkatalog an der Hand, der Zeichen für Schmerzen beim gerittenen Pferd ganz klar definiert und klassifiziert. 
 
Während der Turnierprüfung Speedtrail in der Klasse L haben wir bei allen teilnehmenden Pferden diese Ethogramm-Punkte gezählt. Dabei geht es darum, wer die WENIGSTEN Punkte für Stress und Schmerzen beim Reiten hat, also anders ausgedrückt: Ein rundum glückliches Pferd – und zwar genau in dem Moment seiner sportlichen Leistung. 
Der Katalog umfasst 24 Verhaltensweisen. Bis 8 gezeigter Zeichen ist das Reiten in Ordnung (denn seinen wir mal ehrlich, ein bisschen Stress ist in fremder Umgebung und hohem Tempo vielleicht in einzelnen Momenten auch logisch und für Pferde kurzfristig auch tolerabel). Bei über 8 Zeichen sollte das Reiten eingestellt und das Pferd einem Tierarzt vorgestellt werden.
🐎
An diesem Tag ging der Harmoniepreis an Katja Lauer und ihren gutgelaunten Lusitano Martini. Wir konnten im gesamten Speedtrail nur ein einziges Zeichen, also eine ganz kleine Irritation, zählen und finden dieses Ergebnis sensationell: Es belegt klar, dass dieses Pferd an seiner Prüfung genauso einen Spaß hatte wie seine Reiterin und alle, die den beiden zusehen durften. 
Und das wohlbemerkt nicht, weil die beiden „in Schönheit gestorben“ sind, sondern im Gegenteil: Die waren auch noch richtig schnell und belegten auch in der Gesamtwertung ihrer Klasse den zweiten Rang. 

Wovon hängt es ab, wieviele Ethogrammpunkte zu sehen sind? 
Einerseits ganz direkt vom Reitstil in dem Moment: Handbasiertes Reiten quittieren die Pferde genau wie Sporeneinsatz mit mehreren Ethogrammpunkten. Wessen Reiter wirklich über den Sitz reitet und fein einwirkt, zeigt diese Zeichen schonmal nicht. Das ist vielen Leuten bereits bewusst. 
Was leider noch weniger bewusst ist, ist die Tatsache, dass Ethogrammpunkte auftauchen, wenn ein Pferd körperlich nicht dazu in der Lage ist, die gewünschten Hindernisse zu bewältigen oder Lektionen auszuführen. Hat ein Pferd aus seinem eigenen Körper heraus Schmerzen bei bestimmten Bewegungen, ist es auch egal, wie gut der Reiter theoretisch reitet – dann zeigt es Schmerzzeichen. 

Dass Pferde zu sportlichen Leistungen aktuell oder grundsätzlich nicht in der Lage sind, kann an ungenügender Ausbildung oder an schlechtem Training liegen. Wichtig zu unterscheiden: Ein Pferd kann grundsätzlich gut genug ausgebildet, aber in dem Moment dennoch nicht fit genug für die Anforderung sein! Oder aber es liegt eine bislang unerkannte Lahmheit vor: Viele Schmerzzeichen (also Ethogrammpunkte) treten eben wirklich erst in dem Moment auf, in dem das Pferd eng wenden, stoppen, beschleunigen, seitwärts gehen oder springen soll, weil ihm genau dabei etwas weh tut, was geradeaus auf ebener Strecke vielleicht noch völlig tolerabel war. Mein Knie schmerzt auch nur beim Treppenstiegen mit vollen Einkaufstüten, beim gemütlichen Spazierengehen merke ich nix. 

Zurück zum Harmoniepreis: Interessanterweise kamen die beiden Richterinnen zu genau dem selben Schluss wie das Ethogramm, der Preis ging einstimmig an Katja Lauer. 

Uns macht das Hoffnung für den Pferdesport und richtig Lust zu reiten. 
Lass und gemeinsam die Energie auf die positiven Seiten des Reitens richten. Lass uns uns an Vorbildern orientieren und immer wieder auf unser individuelles Pferd achten, dass diesem das gemeinsame Reiten – egal ob am Turnier oder Zuhause – auch wirklich so viel Freude macht, wie wir uns das alle wünschen.
Du möchtest die 24 Verhaltensweise und noch viel mehr über Ganganalyse und das Erkennen von Lahmheit  lernen? Dann schau mal hier.
Du möchtest an deinem eigenen reiterlichen Fähigkeiten arbeiten, um so gut zu sitzen und so fein einzuwirken, dass dein Pferd das Reiten wirklich lieben kann? Dann ist das dein Kurs.


Psssssssssst: Auf beide Kurse wird es noch in diesem Monat eine Rabattaktion geben, beobachte also unsere facebook-Seite oder melde dich für den Newsletter an, um sie nicht zu verpassen.
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Trainingstherapie bei Spat: Hilf deinem Pferd durch gezielte Bewegung!
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Das Sprunggelenk des Pferdes besteht aus mehreren Gelenkpartnern und Gelenkreihen. Der bewegliche Teil des Sprunggelenks  (Art. tarsocruralis) ist das Gelenk zwischen Talusrolle und Tibia (Schienbein). Hier sind Streckung und Beugung möglich. Unter Spat versteht man allerdings eine Arthrose der straffen Gelenkreihen des Sprunggelenks, die unter dem Tarsokruralgelenk liegen.
Spat tritt in Phasen auf: erst reagiert der Körper Knorpel und Knochen abbauend, später Knochen aufbauend, und letztendlich ersetzt der Körper den zerstörten Faserknorpel dieser straffen Gelenke mit Knochensubstanz. Während dieser Prozesse kommt es immer wieder zu Entzündungsgeschehen, die schmerzhaft sind. Im akuten Schub sind Spatpferde oft deutlich lahm.
Was bedeutet das für die Trainingstherapie? 
1. Training kann grundsätzlich immer nur in lahmfreien Gangarten stattfinden. Bei Spatpferden fällt oft als Besonderheit auf, dass sie den Trab vermeiden und statt anzutraben vermeintlich lieber galoppieren. Ist der Trab für dein Pferd schmerzhaft, solltest du aber keinesfalls den Galopp annehmen, sondern an diesem Tag nur im Schritt trainieren. Auch wenn man im Galopp die Lahmheit nicht so deutlich sieht wie im Trab, ist sie vorhanden. 

2. Sanfte Mobilisierung der Sprunggelenke: Beugung und Streckung in Knie und Sprunggelenken ist trotz Spat möglich – viele Pferde scheinen das allerdings aufgrund der Schonung und ihrer Schmerzerinnerung aus dem letzten Spatschub „vergessen“ zu haben. Sofern dein Pferd aber mindestens im Schritt lahmfei ist, also keinen akuten Schub und eine Trainingsfreigabe durch den Tierarzt hat, macht es Sinn, es an die Beugung von Knie- und Sprunggelenk zu erinnern und einen physiologischen Gebrauch seiner Hinterbeine anzuregen. 
Wie das geht? 

Das Kniekehlentape: Dieses effiziente Trainingstape unterstützt den Recoil der Achillessehen und das aktive Abfußen der Hinterbeine, dadurch beugt das Pferd seine Knie und Sprunggelenke mehr, anstatt steifbeinig die Zehen zu schleifen. Das Tape anzubringen braucht etwas Übung, bringt aber viele Pferde auf eine neue Bewegungsidee und damit nachhaltige Verbesserung. Üben lohnt also!

Wechselseitig erhöhte Schrittstangen: Die Beugung von Knie und Sprunggelenken vermeiden manche Pferde, in dem sie mit geradem Hinterbein breit fußen. Besonders für übergewichtigen Pferden mit viel Bauch liegt dieses Bewegungsmuster nahe. Die wechselseitig erhöhten Stangen animieren das Pferd dazu, seine Hinterbeine „schmal“, also eigentlich gerade nach vorne zu führen – denn mittig sind die Stangen am niedrigsten, seitlich werden sie höher. Besonders gut wirkt die Übung, wenn man sie mit dem Kniekehlentape kombiniert.
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Du möchtest das Tapen lernen? Das Kniekehlen-Tape und viele weitere Tapeanlagen, die Hintergründe dazu und die passenden Übungen für Training und Therapie zeigen wir dir ausführlich in diesem Onlinekurs: 
Warum du die Longierpeitsche nicht nach hinten klappen solltest
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Die Peitsche zeigt beim pferdefreundlichen Longieren klassisch zum Hinterbein des Pferdes und nicht etwa hinter den Rücken der Longenführerin. Warum ist das so? 

Das Pferd kann die Peitsche nur dann SEHEN, wenn sie sich „neben“ seinem Körper befindet. So kannst du die konkrete Haltung und Bewegung der Peitsche als klar definierte Signale benutzen. Beim Longieren als Dialog haben wir etwa für „Halte bitte mehr Abstand“ die Wischbewegung oder für „Trabe bitte an“ eine konkrete Peitschenhöhe. Damit ZEIGST du deinem Pferd, was es tun soll, in dem du die Stellung der Peitsche in ganz ruhigen Bewegungen bewusst veränderst, und zwar ganz ohne zu fuchteln oder dein Pferd zu bedrohen. Dein Pferd kann verstehen, feine Signale der Peitsche zu lesen, ohne dass es getroffen wird oder dass die Peitsche als solche überhaupt „Alarm“ macht. 

Im Gegensatz dazu sieht das Pferd die Peitsche nicht, wenn du sie aus seinem Gesichtsfeld heraus nach hinten (entweder hinter das Pferd oder sogar hinter deinen eigenen Rücken) klappst. Wenn du nun aus dieser Stellung die Peitsche nutzen möchtest, kommt sie aus Pferdesicht „aus dem Nichts“ plötzlich angeflogen. Ohne Vorwarnung oder Anzeichen kommt sie gleich mit Schwung (denn anders bekommst du sie aus der Position ja gar nicht nach vorne zum Pferd) und macht dabei automatisch auch sofort „Krawall“. Für viele Pferde ist das ein Problem: Sie hätten ja gerne wie gewünscht reagiert, bevor die Peitsche überhaupt gleich geflogen kommen muss oder sie gleich irgendwo irgendwie unkontrolliert erwischt! Das führt bei manche Pferden dazu, dass sie Angst vor der Peitsche und eine Abneigung gegen das Longieren entwickeln. Bei anderen Pferden führt es dazu, dass sie gegen die Peitsche giften und jedes (aus ihrer Sicht plötzliche und undifferenzierte) heransausen mit Ohrenanlagen und Halsschlenkern quittieren.

Nur eine fürs Pferd verständliche, differenzierte und gut koordinierte Hilfengebung führt zu einer gymnastisch sinnvollen, durchlässigen und geraden Reaktion auf die treibende Hilfe!

Nur wenn die Peitsche zum Pferd zeigt, kannst du es außerdem auch zielgerichtet und vor allem im passenden Moment tatsächlich touchieren. Bei gekonntem Touchieren geht es nämlich um Zentimeter und um Sekundenbruchteile: Das ist ein einmaliges, ganz dosiertes Kitzeln in genau der richten Bewegungsphase und das klappt nur in einer kleinen Bewegung. Dafür muss die Peitsche selbst also vorher bereits in der Nähe des Touchierpunktes gewesen sein! 

Hast du die Peitsche vom Pferdekörper weit entfernt gehalten und möchtest es touchieren, bist du aufgrund des zurückzulegenden Weges eigentlich immer zu spät dran und erwischst irgendeinen anderen Moment im Bewegungsablauf. Durch die große Bewegung und den entsprechenden Schwung, mit dem du die Peitsche herbei sausen lassen musst, wird die Berührung oft viel zu grob und es ist viel schwerer, überhaupt die gewünschte Stelle zu treffen. Im besten Fall wirkt das für dein Pferd, als würdest du mit Kanonen auf Spatzen schießen. Im schlimmsten Fall fühlt es sich geschlagen, obwohl du es doch eigentlich in einem gesunden Bewegungsablauf unterstützen wolltest. 

💡Gewöhne dir als Grundposition an, die Peitsche neben dem Hinterbein deines Pferds zu tragen. Die Peitschenspitze zeigt in der neutralen Stellung auf das Röhrbein unterhalb des Sprunggelenks. Halte die Peitsche hier grundsätzlich erst einmal ruhig. Aus dieser Position kannst du bewusste und konkrete Peitschenhilfen geben. 


Mehr über das Longieren im Bewegungsdialog mit einer sanften, klaren und für dein Pferd logischen Hilfengebung findest du hier:
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Wie funktioniert so ein OD Trainingsplan? 
Du bekommst einen Plan über acht Wochen. Diesen Plan kannst du herunterladen, ausdrucken, mit zum Stall nehmen und jede Trainingseinheit abhaken. Ganz übersichtlich – auch wenn du dir zum Beispiel deine Reitbeteiligung mit ins Boot holst und ihr abwechselnd mit deinem Pferd trainiert. 
Jede Trainingseinheit besteht aus mehreren Übungen und zu jeder Übung gibt es ein Video: Dieses Video kannst du dir vorab online anschauen, um genau zu wissen, wie die Übung aussehen soll. Zugriff auf diese Videos hast du drei Jahre lang ab dem Tag deiner Buchung. 
Das heißt, du musst den Plan auch nicht sofort starten und die acht Wochen durchziehen, sondern kannst den Trainingsplan dann starten, wann es für dich wirklich passt. Falls das Leben mal nicht nach Plan läuft und du aus welchen Gründen auch immer dein Training unterbrechen musst, kannst du auch Monate oder sogar Jahre später nochmal starten und dir alle Videos so oft anschauen, wie du möchtest. 


Wie viel Zeit brauche ich für die Umsetzung? 
Das hängt ein bisschen vom Plan ab: Der Zeitbedarf für die verschiedenen Trainingspläne REHA, ANTRAINIEREN und REITEN ist unterschiedlich. In der Ausschreibung der Pläne findest du den Zeit- und auch den Materialbedarf nochmal ganz explizit. 
Für alle drei Pläne gilt: Du solltest dir mindestens viermal pro Woche Zeit für dein Pferd nehmen können. 
Die Pläne halten Programm für 7 Tage pro Woche bereit, aber das Pausentagsprogramm kannst du bei entsprechender Pferdehaltung auch durch freie Bewegung (Weidegang) ersetzen. An vier Tagen pro Woche werden die wichtigen Trainingsreize gesetzt, die notwendig sind, um wirklich weiter zu kommen. 


Welcher Plan passt zu mir? 
REHA: Nach Verletzungspausen, sobald dein Pferd unbegrenzt Schritt gehen darf. Zum Beispiel nach Fesselträgerschäden, Sehnenproblemen, 
Dieser Plan enthält Übungen vom Boden aus. 
ANTRAINIEREN: Wenn dein Pferd an sich gesund ist, aber aktuell nicht regelmäßig geritten wird. Zum Beispiel nach einer Trächtigkeit, nach Zeitmangel deinerseits und ideal auch bei einer Trageschwäche geeignet. Dieser Plan bringt dich vom Boden zurück in den Sattel, er enthält eine Komi aus erst viel Bodenarbeit und dann Schrittweise leichten Trainingsreizen unter dem Sattel. 
REITEN: Wenn du reiterlich richtig weiterkommen und mit einem fitten Pferd durchstarten möchtest. Hier wird vorrangig geritten, Longieren kommt zur Abwechslung an den Pausentagen vor. 
Die genaue Beschreibung der Pläne mit ihren Voraussetzungen und der Eignung findest du unter diesem Artikel.
Bei Fragen beraten wir dich auch gerne, sende uns dazu eine mail an hello@osteodressage.college


Bauen die OsteoDressage Trainingspläne aufeinander auf? 
Grundsätzlich ja! Nach dem REHAplan kannst du dein Pferd (natürlich nach tierärztlicher Freigabe) dann mit dem nächsten Plan ANTRAINIEREN. 
Und wenn dein Pferd auf dem Niveau des Antrainierenplanes für einige Wochen stabil läuft, kannst du danach optimal in den Trainingsplan REITEN starten. 


Kann ich mein Pferd mit dem Plan ANTRAINIEREN anreiten?
Jein. Unter trainingsphysiologischen Gesichtspunkten ist der Plan perfekt, um dein Pferd körperlich fit zum Gerittenwerden zu machen – auch wenn es vorher noch nie geritten wurde. 
Zum Anreiten gehört aber natürlich auch die Gewöhnung an die Ausrüstung, das Erlernen des Aufsitzens, die Gewöhnung an das Reitertragen selbst und das Erlernen der erwünschte Reaktion auf die reiterlichen Hilfen. Diese Inhalte kannst du – wenn du das kannst – sehr gut in den Trainingsplan Antrainieren integrieren, aber sie können je nach Pferd auch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen und sie werden im Plan auch nicht thematisiert. 
Wir gehen hier von einem untrainierten Pferd aus, dass das Gerittenwerden und die Basis der Hilfengebung (Lenken, Treiben) kennt. 


Kann ich die verschiedenen Trainingseinheiten tauschen, zum Beispiel auf andere Wochentage legen? 
Kommt drauf an. Grundsätzlich sind die Wochentage egal. Wir geben in den Plänen nicht an, ob du etwas zum Beispiel mittwochs machst, sondern nummerieren die Tage. 
Tatsächlich wichtig ist der zeitliche Abstand zwischen den verschiedenen Trainingsreizen, denn genau das macht den Plan so erfolgreich! Alle 48 bis 72 Stunden enthält er einen überschwelligen Trainingsreiz, dazwischen gibt es Pausen, Koordinationstraining, vorbereitenden Übungen und Wellness, in denen das beanspruchte Gewebe vor- und nachbereitet wird. 
Es ist also nicht möglich, alle Trainingseinheiten am Wochenende zu machen und alle Pausentag dann den Rest der Woche. Organisiere dir, deinem Pferd und deinem Trainingserfolg zuliebe die Zeiten so, dass der Ablauf der Trainingsinhalte annähernd so bleibt, wie er im Plan steht. 
Wenn du an einem einzelnen Tag mal keine Zeit hast oder krank bist, ist das kein Problem: Dann machst du einfach mit dem nächsten Tag weiter, sobald du wieder im Stall bist. 
Kannst du länger nicht trainieren, macht es je nach Plan und individueller Situation Sinn, den gesamten Plan von vorne zu beginnen oder zumindest eine Planwoche früher wieder einzusteigen. Fragen dazu kannst du jederzeit in unserer kostenlosen Facebook-Gruppe stellen oder uns auch dazu eine email senden. 


Was, wenn ich die Übungen nicht hinkriege oder mein Pferd eben nicht so reagiert oder läuft, wie es sollte?
Der Erfolg des Trainings hängt natürlich nicht nur vom Plan ab, was man theoretisch machen möchte, sondern ganz entscheidend auch von der praktischen Umsetzung. Also wie GUT und KORREKT du die Übungen reitest, longierst oder mobilisierst. 
Die gute Nachricht ist: Wir haben ausschließlich Übungen in den Plänen verwendet, die auch durchschnittliche Reiter und Freizeitpferde wirklich umsetzen können. Zu jeder Übung gibt es eine Beschreibung und Videobeispiele aus der Praxis, oft auch mit zusätzlichen Erklärungen. 
Außerdem coachen wir dich: Wenn du Nachfragen hast, kannst du diese direkt unter den Videos auf unserer lernplattform stellen. Wenn du deine Ausführung überprüft haben möchtest, kannst du ein Video in unserer kostenfreien Facebook-Gruppe einreichen. Außerdem findest du auf unserer Webseite eine ganze Reihe von Kursterminen und eine  Liste von uns lizensierter Trainer, die dir in der Praxis vor Ort weiterhelfen können. 


Muss ich „alles genauso“ machen, was für die jeweilige Trainingseinheit angegeben ist? 
Idealerweise ja! Die gesamte Zusammenstellung der Inhalte, die Widerholungsrate und die Dauer sind ein ganz entscheidender Faktor. Versuche wirklich alles zu machen, auch wenn es dir „viel“ oder „lang“ vorkommt. Auf der anderen Seite macht es in den seltensten Fällen Sinn, die Einheit mit zusätzlichen Übungen zu ergänzen, also füge nach Möglichkeit auch nichts „extra hinzu“.  Das Erfolgsgeheimnis ist, dass wir eben kein Geheimnis draus machen, was GENAU wann, wie oft, auf welche Weise und wie sehr trainiert werden soll. Wer das umsetzen kann, feiert große Erfolge. 
Falls dein Pferd oder du in der Praxis an einzelnen Tagen mal unpässlich sind oder falls es Katzen hagelt oder du warum auch immer mal nicht alles genauso schaffst, ist das allerdings nicht schlimm. Der Plan gibt oft auch Alternativen an (Reitbahn statt Gelände zum Beispiel) oder du kannst je nach Tagesform natürlich an einzelnen Tagen auch mal „Fünfe gerade sein lassen“. Und wenn deine Freunde dich zum Ausritt mitnehmen wollen, obwohl longieren dran wäre, geh unbedingt ausreiten und genieße es.  Solange du ehrliche 80% exakt so trainierst wie im Plan angegeben, wird er funktionieren. 



Warum ist der Plan so, wie er ist? 
Da steckt einiges dahinter. Gutes Training ist nicht grundlos eine Wissenschaft. Wenn du den Trainingsplan nicht nur machen und von unserem Wissen profitieren möchtest, sondern das Thema Trainingsplanung umfassend verstehen und selbst individuelle Trainingspläne schreiben können möchtest, dann ist unser Seminar "Trainingsplanung & Exterieur" genau das richtige für dich.
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Keine Regeneration ohne Bewegung: 


Warum Boxenruhe immer auch schaden kann
Pferde, die akut lahmen, müssen völlig zurecht die Chance haben, sich ohne jeden Herdendruck in der Box schonen zu dürfen. Lässt man ein akut lahmes Pferd einfach weiterhumpeln, riskiert man, dass es ein anderes Bein überlastet und die akute Läsion sich verschlechtert. 
Dennoch ist es sehr wichtig, so früh wie möglich kontrollierte Bewegung dazu zu nehmen, denn bestimmte Gewebearten nehmen nach wenigen Tagen Unbeweglichkeit Schaden. 

Was essentiell für den Gewebeaufbau nach Verletzungen ist (nach der akuten Phase): 

Wärme:
Höhere Gewebemperatur steigert die Aktivität der Gewebszellen. Fibroblasten werden produktiver und bilden zB Narbengewebe. Kälteapplikationen sind nur im Akutfall sinnvoll. Achtung: Wärme über 40 Grad führt wieder zu gewebeabbauenden Prozessen. Viel hilft also nicht viel.
Jede BEWEGUNG über einige Minuten Dauer erzeugt physiologisch Wärme durch Muskelaktivität. Spazierengehen zB erhöht dadurch die Produktivität der Zellen, um Mikrotraumata in Sehnen, Knorpel oder Muskeln zu reparieren bzw ihnen vorzubeugen. 
chemische Reize:
Mechanische Reize, also jede Bewegung, die in Sehnen, Gelenken, Bändern und Co stattfindet, sorgt für die Ausschüttung von Botenstoffen, die in den Gewebszellen oder in deren Nachbarschaft gespeichert sind: Transmitter, Wachstumsfaktoren/Wachstumshormone werden ausgeschüttet und regen die Produktion extrazellulärer Matrix an, was die Zellversorgung und Zellkommunikation verbessert und so Regeneration fördert.
All das passiert völlig ohne Geräte, einfach durch Bewegung! 
mechanische Reize:
Durch eine leichte Verformung der Gewebszellen in Bewegung werden kleine Ladungsverschiebungen erzeugt - es entstehen "Strömchen". Das nennt man Piezoeffekt. Diese Strömchen regen die Produktion von Kollagenfasern, extrazellulärer Matrix und Co. an. Die Synthese wird eingestellt bei zu wenig "Verformung" - Stehen regt keine Regeneration an.

Aus der Humanmedizin weiß man: Nach nur drei bis sechs Wochen Immobilisation (=komplettes Ruhigstellen) kann es zu nicht umkehrbaren Schäden kommen. In einer Studie von 2003 (Eckstein) fand man heraus, dass der Muskelquerschnitt nach OP und anschließendem mehrwöchigem Ruhigstellen um 38%, die Knorpeldicke um 14% abnahm. Nach 18 Monaten war der Muskelquerschnitt wie vor OP, die Knorpeldicke wurde NICHT kompensiert! 

Was sagt uns das?
Boxenruhe kann sehr sinnvoll sein. Man sollte aber so schnell wie möglich wieder zu kontrollierter Bewegung und ggf passiver Mobilisation finden, weil sonst das Stehen selbst Schäden verursacht und die Heilung verzögert. 


Einen Leitfaden für sinnvolles Rehatraining bietet der OsteoDressage Trainingsplan:

Reiten, wie es Pferde NICHT lieben:

Klemmende Oberschenkel

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Das Problem


Viele Reiter klemmen (besonders im Aussitzen im Trab und Galopp) mit den Oberschenkeln. Statt wirklich auf dem Gesäß „im Pferd“ zu sitzen und richtig mitzuschwingen, halten sie sich mit den Beinen am Pferd fest. Besonders fatal, dass das oft gänzlich unbewusst passiert!

Kaum ein Reitschüler sagt, er möchte sein Klemm-Problem lösen, aber jedes Pferd wünscht sich, sein Reiter würde sein Klemm-Problem lösen…




Warum sind klemmende Reiterbeine für Pferde ein Problem?


Die Struktur, die durch die klemmenden Oberschenkel des Pferdes „zusammengedrückt“ und damit dauerhaft aktiviert wird, ist der M.latissimus dorsi, der breite Rückenmuskel. Ist dieser dauerhaft gereizt, führt das zum einen dazu, dass auch sein Ursprungsort, die Rücken-Lenden-Binde davon in Mitleidenschaft gezogen wird und das Pferd sich unwillkürlich in seiner Oberlinie verkürzt. Es kann also nicht mehr über den Rücken gehen und kann diesen nicht entspannt aufwölben, sondern wird ins Hohlkreuz und in Richtung Senkrücken gezogen.

Der breite Rückenmuskel selbst ist zudem ein Rückführer des Pferdeoberarms. Ist er aktiv, zieht er das Vorderbein des Pferdes nach hinten. Damit das Bein frei nach vorne schwingen kann, müsste der Muskel entspannen – und dazu müsste der Reiter aufhören, ihn mit seinen klemmenden Oberschenkeln zu reizen!



Die Symptome


Pferde, deren Reiter ihnen ungewollt das beschriebene Problem angeritten haben, zeigen unter anderem folgende Symptome:


  • Stolpern

  • Rückständige Vorderbeine

  • Stemmen mit der Vorhand – und das, obwohl sie nicht mit harter Hand oder in zu enger Kopfhalsposition geritten werden!

  • Nach dem Absatteln einen dicken Muskelbauch des breiten Rückenmuskels, etwa im Bereich der Sattelpausche

  • Schleppender Gang, in der Vorhand gebunden, wenig Raumgriff

  • „Faulheit“, Bewegungsunlust unter dem Reiter

  • Oft kein gleichmäßiger Takt, sondern „Stopp and Go“: Sie bremsen unvermittelt oder traben zumindest sehr langsam. Werden sie angetrieben, reagieren sie unwillig und werden bei jeder Gelegenheit wieder langsamer.

  • Löcher und Dellen in der Oberlinie, obwohl der Sattel passt.


Als aufmerksame Leserin der OsteoDressage-Publikationen weißt du vielleicht bereits, dass einige dieser Symptome auch andere Ursachen haben können, nicht nur den Reiter. Andersherum muss man auch nicht überall ein ernsthaftes Gesundheitsproblem seitens des Pferdes sehen, wenn der Reiter die Symptome auslöst. Da klemmende Oberschenkel wirklich weit verbreitet sind und die Pferde massiv stören, finden wir den Gedanken wertvoll, diesen Fehler als Erstes abzustellen und dann zu schauen, wie viele der Symptome sich verbessern.




Die Ursache


Warum klemmen denn so viele Reiter – und warum wissen so wenige, dass sie das tun? Warum finden es so viele Reiter „normal“ und reiten oft seit Jahren so?

Das liegt oft am Lernprozess. Wer über seine Schmerzgrenze hinaus aussitzen soll und sich gerade als Einsteiger nicht (an einem Voltigurt oder einem Halteriemen am Sattel) festhalten durfte, dessen Körper kommt irgendwie auf die Idee, sich mit den Oberschenkeln festzuklammern. Kennst du (noch) den typischen Muskelkater im Bereich deiner Adduktoren an der Oberschenkelinnenseite?

Wenn man klemmt, kann das Pferd aus oben beschriebenen Gründen nicht wirklich über den Rücken schwingen, dadurch wird der Trab ziemlich unbequem. Als Reiter kommt man ins „Hoppeln“ und gleicht das dadurch aus, dass man noch mehr klemmt. Unpassende Sättel mit insbesondere unpassenden Pauschen verstärken das Problem.

Durch das Klemmen stumpft man sein Pferd automatisch und ohne das zu wollen oft auch auf die treibenden Hilfen ab, es wird immer langsamer. Kommt dann die Anweisung, man müsse mehr treiben, kommen zum klemmenden Oberschenkel (der auf das Pferd wie oben beschrieben ja unwillkürlich bremsend wirkt) auch noch ein klopfender Unterschenkel oder hochgezogene Fersen hinzu. So kann das Vorwärtsgehen dem Pferd beim besten Willen keinen Spaß machen. Manche Pferde werden immer triebiger, andere explodieren irgendwann. Und nun rate mal, was man als Reiter tut, wenn man Angst bekommt, weil das Pferd erst langsam wird, aber dann unvermittelt bockt? Richtig, man klemmt noch mehr.



Die Lösung


Zum Glück gibt es einen besseren Weg, um das Reiten zu lernen und auch, um sich solch eingeschliffene Fehler bewusst zu machen und sie bewusst durch das korrekte Mitschwingen mit lockeren Beinen zu ersetzen.

Oft macht es Sinn, sich während dieser sehr effizienten Masterkey-Übungen erstmal am Sattel oder am Halteriemen mit den Händen festzuhalten, auch als eigentlich fortgeschrittene Reiterin. Denn nur, wenn das Unterbewusstsein beruhigt ist, dass es sich im Bedarfsfall mit den Händen festhalten dürfte, kann es die Beine wirklich loslassen!

Außerdem macht es Sinn, sich selbst und seinem Pferd zu erlauben, dass es in dieser Phase vielleicht etwas untertourig trabt. Denn umso entspannter kannst du erstmal sitzen und umso besser kann auch das durch die ehemals klemmenden Reiterbeine verspannte Pferd wieder loslassen. Über den zwanglosen Bummeltrab kann es regenerieren, während du deine Sitzübungen machst. Die führen auch zu Muskelkater, aber zu anderem. 

Dann passiert oft alles gleichzeitig: Im selben Zeitraum, in dem man als Reiter lernen kann, bewusst nicht mehr zu klemmen, erholen sich auch die genannten Strukturen im Pferdekörper. Deswegen kann und wird das Pferd dann beginnen, fließender und raumgreifender zu traben. Da du inzwischen weißt, wie du den Trab wirklich sitzen sollst und das in verschiedenen Übungen geübt hast, kannst du auch diesen nun wieder dynamischeren Trab dann mitsitzen, ohne wieder in den alten Fehler zu verfallen. Das wiederum bemerkt dein Pferd und wird deine neue Beweglichkeit dankend annehmen! Ohne klemmende Beine kann es besser atmen, besser abschnauben, besser schwingen, besser zulegen, besser den Hals fallen lassen, und konstant in der Anlehnung werden. Reiten macht jetzt beiden richtig Spaß und zwar auch im Aussitzen. Stolpern, Bremsen und Herausheben verschwinden oft einfach.

Weil dein Pferd sich nun losgelassen bewegt es deutlich sitzbequemer geworden. Dann – und wirklich erst dann! – kannst du es mit wirklich feinen Hilfen reiten und reell Lektionen entwickeln.


Du möchtest herausfinden, ob du klemmst und wenn ja, selbst etwas dagegen unternehmen?

Du unterrichtet Reiten und möchtest deinen Schülern helfen, ihr Klemm-Problem zu überwinden?

Dann bist du hier genau richtig:
Die Macht der Masterkey-Übungen:
Die Geschichte von Konrad

Als ich die Macht der Masterkey-Übungen zum ersten mal gespürt habe, war ich etwa 18 Jahre alt.
Ich habe damals in einer hervorragenden (Kinder)-Reitschule gearbeitet und war unter anderem für die Ausbildung neuer Lehrpferde zuständig. So kam ich zu Konrad.
Konrad war ein damals vierjähriges Warmblutpferd mit dem schlimmsten Exterieur, das man sich vorstellen kann, aber einem Herz aus Gold. Sein freundliches Wesen war das eine, aber sein Karpfenrücken in Kombination mit einem Hirschhals machten es ihm definitiv schwer, klassisch über den Rücken zu gehen.
Weil Konrad zukünftig ein Schulpferd werden sollte, ließ ich mich bald nach dem Anreiten an die Longe nehmen, um ihn damit vertraut zu machen, dass Reiter auf ihm nicht nur still sitzen und sprichwörtlich in Schönheit sterben, sondern sich auch bewegen und üben.
Langsam gewöhnte ich das junge Pferd an die Sitzübungen, die ich bereits damals in meinem Programm als Reitlehrerin hatte und weil das so viel Spass machte, erfand ich neue Varianten. Währenddessen schnaubte Konrad mehrfach ab, kaute und seufzte während einer meiner Übungen plötzlich ganz tief.
Als ich anschließend antrabte, trabte er so gut los wie nie zuvor! In einem ruhigen und dabei sehr aktiven Takt, mit langem gewölbten Hals, einem fluffigen Ohrenspiel und einem sehr angenehmen Schwung. War der verbaute Warmblüter bis dahin schwer zu sitzen gewesen, fühlte sich das nun mühelos an. Von diesem Flow beseelt machte ich nach einigen Runden gleich mit meinem Masterkey-Übungen im Trab weiter und Konrad bewegte sich immer besser und besser:
Vorher oft wechselnd herausgehoben oder eingerollt und mit falschem Knick dank seines schwierigen Halses, dehnte er sich nun konstant und wirkte völlig zufrieden.
Und dann machte ich die Entdeckung, die mich mein gesamtes weiteres reiterliches Leben begleiten sollte: Ich bemerkte zum ersten mal, wie ich allein durch meinen Sitz die Haltung des Pferdes beeinflussen konnte, und zwar stufenlos von der Gebrauchshaltung in die Dehnungshaltung, in die relative Aufrichtung und zurück – und das, obwohl ich keine Zügel hatte.
Seit diesem Tag hatte ich noch mehr Feuer gefangen. Ich brannte vor Begeisterung und testete meine Übungen, die beste Reihenfolge und die Zusammenhänge zu den Pferdebewegungen an immer mehr Pferden jeder Rasse und jeden Ausbildungsstandes. Dank meiner Position als Reitlehrerin und später selbständigen Leiterin einer Reitschule und noch später eines Ausbildungsbetriebes konnte ich über die Jahre mit tausenden Schülern trainieren und immer weiter daran feilen, wie ich meine eigenen „Reitgefühle“ am besten zu den Menschen und ihren Pferden transportieren und sie mit diesem Flow anstecken kann.
Wenn du das mit deinem Pferd selbst erleben möchtest, dann sei dabei, wenn ich dieses Programm nun erstmalig Online für dich zur Verfügung stelle!
Anreiten mit 6 Jahren?
- zwischen Leistungsschwimmen und Seepferdchen


 
Die Welt ist komplex und es gibt eigentlich immer noch mehr Fakten, als man denkt. Deshalb ist der Fokus auf genau einen Fakt sehr kurzsichtig, wenn man Schlüsse für die Praxis ziehen möchte.

Beispiel:
"Fakt": Die "Wachstumsfugen" sind alle erst beim 6jährigen Pferd geschlossen.
Schluss: Wer Pferde reitet, die unter sechs Jahre alt sind, ist ein Tierquäler.

Ergänzung: Der Fakt ist ungenau. Die Epiphysenfugen der großen Röhrenknochen schließen sich mit 30 bis 36 Monaten, in der Hals- und Lendenwirbelsäule mit 4,9 bis 6,7 Jahren und die Apophysen der Dornfortsätze im Widerristbereich mit über 10 Jahren. Ergo reitet man Pferde besser erst, wenn sie 10 sind? Nein.




Zum einen brauchen auch Knochen Trainingsreize, um belastbar zu werden oder zu bleiben und ein wachsender Körper braucht vielfältige Bewegung um ein gesunder erwachsender Körper zu werden. Außerdem besitzt der Pferdekörper mehr Strukturen als nur Knochen. Insbesondere zu erwähnen sind Sehnen und Bänder, die regelmäßig genügend Bewegungsreize benötigen, um stabil zu werden. Nicht zu vergessen besitzen Pferde auch ein Herz-Kreislaufsystem, Immunsystem, Atemwege und ein Hormonsystem, die allesamt bekanntlich auch auf Training reagieren (und das positiv).

Idealerweise werden junge Pferde wirklich dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr auf Weiden gehalten, die mehrere Hektar groß sind, mit Wald und Bach und einem intakten Herdenleben, sodass die Pferde wirklich viele Kilometer am Tag tatsächlich laufen, mindestens bis sie drei Jahre alt sind.  

Was aber, wenn sie dann aufgestallt werden? Oder was, wenn bereits junge Pferde nicht ganz so bewegungsreich aufgezogen wurden wie gerade geschildert, sondern durchaus auch stundenlang herumstehen, zum Beispiel vor der Heuraufe im Offenstall?
Dann sind wir Menschen in der Pflicht, für die notwendige Bewegung zu sorgen und es ist eben gerade nicht schonend und pferdefreundlich, diese jungen Pferde nicht angepasst auch zu trainieren.

Worst case ist eine faule Heuraufenwoche und dabei ab und zu Party-Alarm in der Herde auf zu kleiner Fläche, denn dann trifft untrainiertes Gewebe auf maximale Belastung bei Stops und Sprints und das Pferd holt sich seinen Fesselträgerschaden im gutgemeinten Offenstall.

Auch Muskulatur verkümmert ohne ausreichende Bewegung, was sich letztlich in röntgenologischen Befunden zeigen kann. Kissing Spines kann es bereits beim ungerittenen Pferd geben, zum Beispiel wenn bereits Dreijährige übergewichtig werden und dauerhaft an der Heuraufe stehen.

Junge Pferde im Stall zu halten, egal ob Paddockbox, Offen- oder Aktivstall und nicht zu arbeiten und dann mit 6 Jahren piaffieren zu wollen oder zum Wanderritt zu gehen (denn nun ist das Pferd ja angeblich ausgewachsen und wurde lange genug geschont) ist definitiv nicht sinnvoll.
Das ist, als würde man Menschen bis sie 21 Jahre alt sind gar keinen Sport treiben lassen. Keine Radtour, kein Schwimmbad, kein Fußball. Nix außer Spielen im Kinderzimmer und Innenhof mit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten (analog zu einem Offenstall für erwachsene Pferde) – und dann aber Leistungsturnen (hohe Schule) oder Marathon laufen sollen. Wäre es nicht sinnig, vorher ins Kinderturnen zu gehen und Familienwanderungen gemacht zu haben? Auf den Abenteuerspielplatz zu dürfen und ins Freibad?

Es liegen Welten zwischen der abgeschirmten Innenhofhaltung und täglichem Drill, weil man bereits Kinder in den Leistungssport zwingt. Letzteres ist verschleißend und psychisch zerstörerisch, aber es gibt tausend Mittelwege.

Fassen wir zusammen:

Ja, Pferde machen diverse Wachstumsprozesse durch, bis sie etwa 6 Jahre alt sind.
Dennoch dürfen auch junge Pferde (ab 3jährig, vorher bitte artgerechte Aufzucht in der Herde mit mehrere ha großen Weiden!) angemessen trainiert werden, wenn sie mal Reitpferd werden sollen.

Auf Alter und Wachstum muss man generell Rücksicht nehmen, und zwar durch leichtes, aber regelmäßiges Training - Kinderturnen statt Olympiavorbereitung.
Auf Wachstumsphasen muss man achten und reagieren – gerade keine Lust auf Schwimmbad? Gut, dann bleiben wir die Woche mal daheim.


Pferde kann man trainieren, DAMIT sie stabil werden und gesund BLEIBEN – nicht erst irgendwann, wenn sie rein von der Zeit her angeblich stabil geworden sein sollten, aber allzu oft schon krank sind…


Was angemessenes Training für ein junges Pferd (sowie für trainierte Reitpferde und Rehapferde) in der Praxis bedeuten kann, ist in den OsteoDressage Trainingsplänen enthalten und zeigen wir aus der Praxis anhand zahlreicher Beispiele in unserer Membership.


Wintertrainings-Motivations-Schub (Teil I)



Wir sind mitten in der dunklen Jahreszeit. Je nach den eigenen Arbeitszeiten oder Verpflichtungen ist man gefühlt nur noch im Dunkeln am Stall, und wenn es mal noch hell ist, dann regnet, windet oder schneit es.


Die Paddocks sind matschig, der Sand klebt im Pferdefell und die Versuchung ist groß, es an so manchem Tag einfach gar nicht von der Schlammkruste zu befreien. Statt zu reiten entscheidet man sich, sein Pferd nur mal eben laufen lassen, da kann es dreckig bleiben. An anderen Tagen hat man nach der Stallarbeit nicht mehr genug Kraft, das Pferd auch noch zu trainieren, weil man ermattet ist vom Schubkarreschieben. Sofern man an einem Stall mit Halle steht, ist die in den Stoßzeiten oft zu voll zum reiten, und wenn man keine Halle hat, dann ist der Reitplatzboden zu tief oder wahlweise zu gefroren zum reiten. Und wenn man dann endlich mal alles organisiert hat zum Ausritt, ist entweder die Mitreiterin krank oder es schneit waagrecht. Kommt dir das bekannt vor?

Wenn man die Ausreit-Routine aber erstmal verloren hat, weil es zu oft nicht geklappt hat und das Pferd zudem vielleicht noch entsprechenden Bewegungsstau hat, dann macht das Ausreiten auf schreckhaftem, heißen Ofen sowieso keinen Spaß mehr und wird besser gleich auf Mitte Mai verschoben.


Unser Tipp: Wenn es diese Wintertage gibt, an denen du am liebsten die Segel streichen und dein Training aussetzen möchtest, denk an den Sommer!

Aber eben nicht daran, dass im Sommer alles besser ist und du dann im Sommer aber endlich so richtig anfangen wirst, dein Pferd zu trainieren und wieder zu reiten, sondern stell dir einen Sommer vor, in dem du ein bereits trainiertes Pferd hast!


Stell dir vor, dass du im Sommer die mit dem schicken, knackigen, glänzenden, runden, gut bemuskelten, wunderschönen, sich losgelassen dynamisch bewegenden Knallerpferd bist, das sich drinnen wie draußen überall gelassen reiten lässt und für jeden Spaß zu haben ist.


Und die bist du, weil du im Winter mit dem Training drangeblieben bist!


Muskelaufbau sieht man nach 8 Wochen, wenn man die passenden überschwelligen (!) Trainingsreize setzt und Pausentage einhält. Wenn die Trainingsreize vielleicht nicht immer ganz so effektiv und durchgetaktet sind, dann sieht man das Ergebnis eher nach 12 Wochen.


Was das bedeutet? Wenn du jetzt im Dezember trainingstechnisch durchhältst, steht dein Pferd im März gut da!


Das Niveau auf gesunder Weise anheben kann man dann wiederum nach etwa vier Monaten. Das heißt im Mai kannst du dann ne Schippe drauf legen. Und das heißt, im August sind dein Pferd und du in der Form eures Lebens.


2023 kannst du einen echten Fortschritt in deiner Reiterei machen. Weil du diesen Winter durchgehalten hast und eben nicht im Mai erst überhaupt wieder mit dem Antrainieren beginnst und dann im Juli wegen der Hitze und der Bremsen schon fast wieder aussetzt…


Denk an den nächsten Sommer und wie du dann deine reiterlichen Ziele erreichst. Das kann der Sprung in die nächste Turnierklasse sein, der dann reell funktioniert. Das kann ein gesunder, fit gemeisterter Wanderritt sein. Das kann auch die Reitkursteilnahme sein, in der dein Pferd gelassen in der fremden Umgebung bleibt, auch nach dem Transport super da steht und du den Unterricht voll auskosten kannst.


Stell dir vor, wie du dich fühlen wirst, wenn du den Trainings- und Ausbildungsstand von dir und deinem Pferd nichtmehr insgeheim vor dir selbst zu entschuldigen brauchst, sondern wirklich ehrlich stolz auf euch bist.


Den Erfolg machen die hundert kleinen Male, an denen du vielleicht zweifelst, aber dich dann doch für’s Training entscheidest und deinen inneren Schweinhund zum Gassigehen überredest. Und zwar jetzt, im Winter!


Du bist zu erkältet zum reiten? Aber sinnvoll longieren geht! Du wolltest ausreiten und es regnet? Geh trotzdem. Deine Mitreiterin schwächelt und alleine kannst du nicht raus? Lies ihr diesen Text vor! Die Halle ist zu voll für dein geplantes Training? Animiere deine Mitreiter zu einer Abteilungsstunde oder warte so lange, bis die Halle leerer wird. Du bist fix und fertig vom Offenstall abmisten? Mach dir nen Tee, erhol dich kurz und dann – reite trotzdem!


Die Sache mit den Trainingsreizen gilt ganz genauso wie für das Pferd auch für uns! Du hast schon Muskelkater? Grund zur Freude, du hast effektiv trainiert! Übermorgen bist du nachweislich bereits fitter als heute und kannst den nächsten Trainingsreiz setzen. Die Koordination (also eine feine und effektive Hilfengebung) wird immer besser, je besser die Grundlagenausdauer ist. So wirst auch du selbst 2023 besser reiten als im gerade vergehenden Jahr.


Mit diesen Zeilen schicken wir dir eine große Portion Motivation. Laptop zuklappen, Handy weglegen und reiten gehen :)



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Du hättest gerne einen konkreten Plan, was du wann wie viel und wie oft machen kannst, um einerseits effektive Trainingsreize zu setzen, aber auch um zu wissen, wann Pausentage sinnvoll sind? Genau dafür gibt es die OsteoDressage Trainingspläne. Dein Acht-Wochen-Programm ab 39 Euro.


In unserer
Membership kannst du - unter anderem - Katharinas Videotagebuch mit Hercules anschauen, der gerade mitten im Trainingsplan Reiten steckt. Dabei läuft mitten im Dezember auch nicht immer alles glatt, aber es lauft!


Dich interessiert das Thema Trainingsplanung grundsätzlich und du möchtest alle Hintergründe auch zu den Intervallen, Zeitabständen und Gewebearten und einen Überblick über das gesamte Training vom Jungpferd bis zur hohen Schule gemäß des Exterieurs des Pferdes, sodass du ganz individuell deinen eigenen Trainingsplan schreiben kannst? Dazu gibts das Online-Seminar "Trainingsplanung & Exterieur".


In vielen Reithallen sieht man humpelnde oder widersetzliche Pferde, die trotz deutlicher Lahmheit geritten werden. Sie werden aber nicht als lahm bezeichnet, sondern als schief, unausbalanciert, dominant oder trageerschöpft. 



Seit wann heißt eine Lahmheit Schiefe, Balanceproblem, Trageerschöpfung oder Dysfunktion? Und seit wann ist es salonfähig geworden, lahme Pferde ohne seriöse Diagnostik durch Training zu verschlimmbessern? 

Wir beobachten seit einigen Jahren einen gefährlichen Trend, der die Sehgewohnheiten zuungunsten der Pferde verschlechtert. Es scheint, dass Lahmheit häufig nicht erkannt wird und es stattdessen zum guten Ton gehört, für die Lahmheit andere Begriffe zu verwenden, die Pferde ohne Diagnostik trotzdem zu trainieren und das dann Therapie, Kunst oder Verhaltenstraining zu nennen und als Pferdeliebe zu verkaufen. Das Problem: Lahmheit wird weder erkannt noch klar benannt - auch nicht von hinzugezogenen Profis. 

Recht hat, wer trotzdem trainiert - die Ergebnisse sind fragwürdig, aber "es ist ja schon viel besser geworden, früher war es noch schlimmer". Und oft ist natürlich der Vorbesitzer schuld. 

Die Fraktion der Lahmheits-Verkenner vermeidet seriöse Lahmheitsuntersuchungen - weil sie es ehrlich nicht merkt oder es nicht sehen und trotzdem trainieren will. Vielleicht weil es nicht fancy ist, das Pferd monatelang nur geradeaus Schritt zu führen, vielleicht auch, weil man sich das Pferd zum Reiten gekauft hat oder weil man der Welt beweisen will, dass man seinen "schwierigen Fall" mithilfe der eigenen besonderen Fähigkeiten, viel Liebe und der gewählten Methode trotzdem hinkriegt.
Die Piaffe als "Therapie" hat viel mehr Glamour als Boxenruhe, das Intervalltraining lockt damit, dass man schnell fertig ist ubd nicht stundenlang spazieren gehen muss und der Kauf eines neuen Kopfstücks ist immernoch billiger als ein Klinikaufenthalt. 

Wäre es nicht viel ehrlicher und pferdefreundlicher, Kunden den Tierarztbesuch ans Herz zu legen, anstatt ihnen einen weiteren Reitkurs zu verkaufen oder eine neue Trainingsmethode, mit der Laien die Lahmheit gar nicht mehr so sehr sehen.
Weniger hip mag die Ehrlichkeit sein, aber erst wenn die Lahmheit nicht mit Schiefe und Co. verwechselt wird, Diagnostik betrieben, Probleme behandelt und das Pferd eventuell geschont wurde, ist eine ehrliche Trainingstherapie oder, so bitter das ist, möglicherweise die Entscheidung für ein Trainingsende angezeigt. 

Wenn es so weiter geht, erkennt niemand mehr, wie Pferde sich physiologisch bewegen würden, weil man nur noch lahme Pferde als trainier- und reitbar vorgesetzt bekommt: und zwar von Olympia bis Liberty und von Reitkunst bis Rennpass. 

Zu uns kommen ständig ratsuchende Pferdebesitzer, die schon lange ein schlechtes Bauchgefühl hatten, denen aber jahrelang von Stallkollegen, Trainern, Therapeuten und dem Internet eingeredet wurde, ihr Pferd sei nur schief, habe noch ein Balanceproblem oder liefe nur so schlecht, weil sie mehr Beritt, einen neuen Sattel, eine neue Reitweise oder ein bahnbrechendes Körperarbeits-Tool oder anderes Futter benötigen. 

Sorry, das ist Bullshit. 

Genau bei diesen Pferden zeigten sich jedes einzelne Mal nach professioneller Ganganalyse und daraufhin veranlasster seriöser Diagnostik massive Befunde, etwa chronische Fesselträgerschäden, zerstörte Menisken, irreparabel geschädigte Gelenke, chronische Hufrehe und vieles mehr. Nur durch Ganganalyse kann man wissen, ob und wo man suchen muss. Nur dadurch wurden die Befunde aufgedeckt und die Pferde vor weiteren Schmerzen durch noch so gut gemeintes Training bewahrt. 

Wir sollten alle an einem Strang ziehen! Es kann nämlich sehr hilfreich sein, Pferde mit Trainingstherapie in der Genesung zu unterstützen und es gibt heute glücklicherweise viele verschiedene tolle Konzepte und auch alternative Behandlungsmögkichkeiten, die je nach Befund gut geeignet oder auch unpassend sind. Das Passende auszuwählen funktioniert nur, wenn wir Lahmheiten als Lahmheiten erkennen und nicht durch Euphemismen wie Taktunreinheit oder Balanceproblem verwässern oder gar als Persönlichkeitsstörung oder Dominanzverhalten bezeichnen.
Egal, nach welchem Rehakonzept oder in welcher Reitweise man die Genesung unterstützen möchte oder für welche Behandlungsmethoden man sich entscheidet, allem voran steht das Erkennen von Lahmheiten. 

Die Lösung des Problems liegt also in Bildung für Besitzer, Trainer, Bereiter, Physiotherapeut, Osteopath und Tierarzt - also für jeden Pferdefreund. Ganganalyse ist heute keine Raketenwissenschaft mehr - das kann und sollte jeder lernen. 

Lerne selbst, den Gang deines Pferdes zu analysieren, um zu unterscheiden, ob es normal läuft, schief oder krank ist. Ersetze die Meinungen anderer Leute durch dein eigenes Wissen.
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Systematische Ganganalyse mit Videoaufzeichnung


Das menschliche Auge sieht 15 Bilder pro Sekunde, im Video haben wir immerhin 24 Bilder pro Sekunde, in Slowmotion sogar 50 Bilder pro Sekunde.


Wir haben Claudia Weingand befragt, was das für die Ganganalyse bedeutet.


Claudia, warum habt ihr damals begonnen, Ganganalysen zu filmen?


„Wir hatten hier (im OsteoDressage Ausbildungszentrum) Pferde mit beidseitigen Hinterhandlahmheiten und ich konnte mich live immer nur auf ein Bein konzentrieren, habe also live immer eher eins der beiden lahmen Beine gesehen. Auf dem Video fiel mir auf, dass mir ohne Aufzeichnung in manchen Fällen das zweite Bein durch die Lappen gegangen wäre. Auf den Videos fallen einem immer nochmal Sachen auf, die man live so nicht gesehen hat, da man auf etwas anderes fokussiert war.“


Menschen sind nicht Multi-Tasking-fähig, auch wenn uns das so vorkommt!


„Nein, man kann sich immer nur auf eine Sache fokussieren. Wenn man sich direkt auf das gesamte Pferd im Gesamtbild konzentriert und das als alleinigen Anhaltspunkt nimmt, entgehen einem wichtige Details. Viele Pferde lahmen auf mehreren Beinen oder in verschiedenen Situationen auf einem jeweils anderen Bein und gerade diese komplizierten Lahmheiten sind ohne eine systematische Betrachtung nicht vollständig zu sehen.“



Erzähl mal was zu deinem System!


„Ich fokussiere mich Körperteil für Körperteil durchs Pferd. Ich starte mit dem Kopf, dazu zählen nicht nur Ausdruck und Schmerzmimik, sondern die Symmetrie der Nickbewegung und der Pendelbewegung im Gang und in der Biegung (Kopf tief halten, Kopf schief halten, verwerfen und so weiter). All das sagt uns schon viel über eventuelle Schmerzen, Be- und Entlastung eines Vorder- oder Hinterbeines.“


Was schaust du danach an?


„Dann kommt die Vorhand: die Hufe, die Art des Auffußens, die Fußungsbögen der Vorderbeine, Bewegung aller Gelenke, Schonhaltungen, Symmetrie und so weiter. Das gehen wir Punkt für Punkt durch. So arbeiten wir uns dann durch das ganze Pferd bis zum Schweif."


So wird das leider nicht überall gemacht…!


„Deswegen gehen ja so oft wichtige Details verloren und Lahmheiten werden nicht früh genug erkannt. Man könnte Ganganalyse viel mehr präventiv machen!“


Inwiefern präventiv?


„Geringgradige Asymetrie, Schonhaltungen und so weiter direkt wahrzunehmen kann dann ja über das Reitprogramm entscheiden: Ob ich zur Springstunde fahre oder lieber ein paar Tage Schrittausritte mache und so das Pferd in einen Schaden trainiere oder eben davor bewahre.

Auch für Therapeuten ist es massiv hilfreich, den Gang detailliert zu analysieren, denn danach entscheidet sich, ob man das Pferd an den Tierarzt überweist oder was man als Trainingsempfehlung gibt.“


Die aktive Hinterhand - Fakten und Mythen


Das Reitpferd soll mit aktiver Hinterhand weit unter den Schwerpunkt treten, heißt es. Die damit erfolgende Lastaufnahme mit der Hinterhand soll die Vorhand entlasten, auf die sonst zu viel Gewicht komme. 


Diese Aussage wird so von vielen Reitern als richtig empfunden, in Zeitschriften so abgedruckt und wenn wir mal ganz ehrlich sind: Sogar wir haben unseren neuen Onlinekurs „Hinterhand aktivieren“ getauft.


Leider ist die oben in Fettdruck postulierte „Wahrheit“ gleichzeitig wahr und falsch. Und zum Leidwesen vieler Pferde wird sogar der wahre Teil daran oft falsch verstanden und führt zu einer Reiterei, die das Pferd immer weiter von dem Ziel der Gesunderhaltung wegbringt, während es mit quetschenden Schenkeln und hochgezogenen Fersen permanent über Tempo gehetzt wird und mit hölzernen Bewegungen Runde um Runde durch die Halle trampelt.


Vor dem Hintergrund der Fehlinterpretationen verstehen wir sogar die Idee mancher „Klassikreiter“, die Hinterhand überhaupt nicht mehr im Sinne einer freien Vorwärtsbewegung zu aktivieren, sondern in der Schubkraft den Quell des Übels zu sehen und diese durch explizites Langsam- und vorwiegendes Seitwärtsreiten zu bekämpfen. Was im anderen Extrem jedoch ebenso viele Probleme verursachen kann.


Wir so oft liegt die Lösung des Problems zum einen im Wissen, was man warum eigentlich jetzt genau bei welchem Pferd mehr oder weniger trainieren sollte, was die Schubkraft überhaupt ist, was sie kann und wie sie sich äußert. Mit dem Verständnis kommt meist schnell die Erkenntnis: In der Praxis muss man schauen, dass man ausgleichend trainiert. Sozusagen im Mittelmaß. Richtig verstandener Schub ist DIE Kraft, aus der die gesamte weitere Ausbildung des Pferdes erwächst, aber diesen Schub entwickelt man eben nicht durch Dauertreiben und Herumhetzen des Pferdes. Sondern es geht um das Können: Wie genau muss man denn sitzen und die Hilfen kombinieren und wieder aussetzen, dass das Pferd im Tritteverlängern beispielsweise wirklich die Tritte verlängert und nicht fälschlich „verschnellert“ oder in den Paraden wirklich untertreten und durch den Körper schwingen kann.


Und inwiefern ist die Aussage oben nun wahr? Darüber reden wir nicht nur in den folgenden Beiträgen rund um typische Missverständnisse zur Hinterhandaktivität, sondern ausführlich und mit praktischen Übungen in unserem neuen Onlinekurs "Hinterhand aktivieren".

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„Das Pferd soll im Trab mit den Hinterbeinen weit untertreten und darf nicht hinten heraus schaufeln“.


  • Das Untertreten, also der Vorgriff des einen Hinterbeines mit einer ausgeprägten vorderen Stützbeinphase, erfordert eine ausgeprägte hintere Stützbeinphase des anderen Hinterbeines. Darf das Bein nicht hinter dem Körper arbeiten, kann es im nächsten Schritt auch nicht weit nach vorne fußen.
  • Dass die Hinterbeine nicht ausschließlich untertreten, sondern AUCH hinter dem Körper arbeiten, ist auch gar nicht schlimm, denn in dem Moment der hinteren Stützbeinphase findet der berühmte und so wichtige Vorschub statt: Das Pferd bewegt seinen Körper vorwärts, in dem es sich gegen den Boden vorwärts drückt. In dieser Bewegung liegt der berühmte Motor der Hinterhand, den wir uns alle wünschen.
  • Das hat mit übereiltem Trabtempo nichts zu tun! Im Gegenteil brauchen viele Pferde ein eher ruhigeres Trabtempo, um wirklich den entsprechenden Raumgriff mit den besagten vorderen UND hinteren Stützbeinphasen entwickeln zu können. Künstlich mit der Hand gebremst werden dürfen diese Pferde aber auch nicht, deswegen landen wir wie immer beim zügelunabhängigen Reiten und der Einwirkung über Gewichts- und Schenkelhilfen.

„Die aktive Hinterhand kann die Last aufnehmen und damit die von Natur aus überlastete Vorhand des Pferdes schonen.“


  • Ein klassisches jein! Die Belastung und damit die Verschleißerkrankungen der Vorderbeine hängen nicht unbedingt damit zusammen, wie viele Kilo bei einem sprichwörtlich „auf der Vorhand gehenden“ Pferd auf den Beinen lasten. Die Krux liegt darin, wie das Pferd die entsprechenden Beine für die Fortbewegung nutzt oder eben nicht nutzt.
  • Wenn die Hinterbeine das Pferd fortbewegen, also der Motor hinten sauber läuft, muss sich das Pferd nicht mit den Vorderbeinen vorwärts ziehen. Deswegen stimmt diese Aussage: Wenn die Hinterhand aktiv arbeitet, also schiebt, schont das die Vorhand, denn die würde durch zu viele „ziehende“ Stemmbewegungen überlasten. Für kilometerlange Stemmarbeit bei gleichzeitig an ihrer Arbeit gehinderten Hinterhand ist die Vorhand des Pferdes nicht ausgelegt.
  • Was die Hinterhand an ihrer Arbeit als Bewegungsmotor stört? Sitz- und Handfehler sowie Angstprobleme des Reiters. Manchmal auch die Reitphilsophie oder das Equipment. Gut gemeint ist leider nicht immer gut gemacht.
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„Treiben, treiben, treiben! Aktiviert die Hinterhand“.


  • Kommt drauf an! Geht dein Pferd sowieso gerade wunderbar losgelassen über den Rücken und du möchtest zum Beispiel vor einem Übergang, in einer Ecke oder zur Einleitung eines Seitenganges etwas mehr Aktivität oder eine bestimmte Bewegung des Hinterbeines, dann kannst du diese durch impulsartiges Treiben abrufen. Wenn man viele Ecken, Wendungen, Seitengänge, Tempounterschiede und so weiter reitet, treibt man entsprechend oft und aktiviert dabei grundsätzlich natürlich auch schön die Hinterhand.
  • Geht dein Pferd aber nicht über den Rücken, führt „mehr treiben“ oft nur dazu, dass du mehr von dem bekommst, was du eh schon hast: Hölzerne, steife, kleine Tritte. Das Pferd wird vielleicht eiliger, aber nicht wirklich aktiver. Und dadurch kommt es sprichwörtlich sogar immer mehr „auf die Vorhand“, weil diese das Pferd in die Bewegung zieht. Du kannst immer weniger sitzen und kannst dadurch eigentlich auch gar nicht mehr korrekt treiben.
  • Viel hilft NICHT viel! Probiert man nun immer stärker zu treiben und verfällt in ein permanentes Quetschen, am schlimmsten noch mit hochgezogenen Fersen und Sporen, wird das Pferd nicht nur stumpf in seiner Reaktion auf die Hilfe, sondern durch den festen Reiter auch aktiv in seiner Gesamtbewegung blockiert. In dem Fall würde sogar das Gegenteil helfen, nämlich kurzzeitig überhaupt nicht zu treiben, um aus dem Teufelskreis heraus zu kommen. Nur wenn der Reiter losgelassen sitzt, kann das Pferd im Rücken loslassen und nur dann kann es physilogisch raumgreifende Tritte machen, also auf die treibenden Hilfen auch wie gewünscht reagieren.

„Wenn du die Hinterhand deines Pferdes nicht aktiviert bekommst, reitest du einfach zu schlecht.“


  • Bei aller Liebe für gutes Reiten, für Selbstkritik, Sitzschulung, kluge Trainingsplanung und persönliche Entwicklung: Ein Pferd kann durchaus noch mehr Probleme haben als nur seinen Reiter.
  • Viele der Anzeichen für eine inaktive Hinterhand sind gleichzeitig auch Anzeichen für eine Hinterhandlahmheit, also ein orthopädisches Problem, gegen das man manchmal nicht antrainieren kann, egal wie gut man reitet.
  • Wenn sich die Hinterhand allgemein oder besonders auch ein bestimmtes Hinterbein durch Training nicht aktivieren lässt, dann bedeutet das, dass das Pferd lahmt!
  • Wirken die Veränderungen des Trainings (wie wir sie zum Beispiel auch in unserem Onlinekurs „Hinterhand aktivieren“ vorschlagen) nicht, dann hör auf zu trainieren und stelle dein Pferd dem Tierarzt vor.
  • Hinterhandlahmheiten werden leider oft nicht rechtzeitig als solche erkannt. Hast du ein schlechtes Bauchgefühl und kommst reiterlich trotz Unterricht nicht weiter, beharre deinem Pferd zuliebe auf Diagnostik.
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Die missverstandene Schubkraft

Die Schubkraft hat einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, finden wir.

Erst mit der der Ausbildung oder dem Wiedererlangen der Schubkraft wird die Hinterhand zu dem berühmten „Motor“ der Pferdebewegung und aus der Schubkraft wird im Laufe der weiteren, dann fortgeschrittenen Ausbildung die Tragkraft entwickelt – es handelt sich also keineswegs um den Gegenspieler der Tragkraft, sondern um ihre Grundlage.
Im Rahmen der Trainingstherapie begegnen uns zu 99 Prozent Pferde, denen es an Schubkraft mangelt, und zwar entweder generell oder mit einem (ehemals verletzten, eingeschränkten oder schmerzhaften) Hinterbein, welches dann auch sichtlich schlechter bemuskelt ist als das andere.

Schub ist super, Stemmen ist verschleißend!

Was passiert, wenn es an Schubkraft mangelt, das Pferd sich also nicht mit Kraft seiner Hinterbeine vorwärtsbewegt?
Um sich vorwärts zu bewegen, nutzt es dann anstatt dem Vorschub aus der Hinterhand bei jedem einzelnen Schritt die Vorhand, um sich mit Hilfe seiner Vorderbeine in die Bewegung und den jeweils nächsten Schritt zu „ziehen“. Dieses Ziehen oder auch Stemmen ist die Ursache für viele Erkrankungen und Überlastungen der Vorderbeine. Und zwar nicht etwa, weil die Vorhand zu viel „Gewicht“ im Sinne von Kilos tragen würde, sondern weil die Vorhand sich zu sehr am Zustandekommen der Bewegung beteiligt, also sich aufgrund ihrer Tätigkeit überlastet! Es handelt sich hier um eines der wohl größten Missverständnisse der Reiterei.

Es gibt Reitweisen und -philosophien, die Pferde vorwiegend in verkürztem Gangmaß arbeiten und das Training der Schubkraft ablehnen. Auch verkürztes Gehen sorgt für wenig Ziehen mit den Vorderbeinen, weil das Pferd eben wenig Raum gewinnt. Bleibt man ein Pferdeleben lang vorwiegend in der Halle und praktiziert „Reitkunst“ als Kunstform der natürlichen Bewegung, kann das – rein biomechanisch auseinanderphilosophiert – gut gehen. Wir sind aber stark dafür, den Pferden langfristig unbedingt auch freie, raumgreifende Bewegung unter anderem im Gelände zu gönnen, allein für den Kopf, die Atmungsorgane und das Herz-Kreislauf-System. Und das ist ohne Schubkrafttraining weder sinnvoll noch gesunderhaltend möglich.


Denn schiebt das rechte Hinterbein zu wenig, überlastet das das linke Vorderbein und vice versa. Die Zeche zahlt also immer das kontralaterale Vorderbein. Deswegen sind Überlastungsprobleme der Vorhand wie etwa Fesselträgerschäden, Hufrollenprobleme und Co. oft die Folge eines zu schwachen Hinterbeins oder insgesamt mangelnden Vorschubs aus der Hinterhand.
Entsprechend schont man insgesamt die Vorhand, wenn man die Hinterhand tatsächlich als Bewegungsmotor trainiert und man entlastet ein bestimmtes Vorderbein, wenn man das gegenüberliegende Hinterbein in die Arbeit nimmt.

ACHTUNG, nicht rennen!
Schubkraft entwickelt man nicht durch über Tempo jagen, sondern etwa über häufiges sanftes Tritte verlängern. Beim Tritteverlängern geht es darum, dass das Pferd raumgreifendere Trabtritte macht, als es das zuvor getan hat oder auf seinem aktuellen Trainingsstand von sich aus tut. Entscheidend dabei ist, dass bei gleichbleibendem Takt die Tritte wirklich länger werden und nicht etwa eiliger, also nicht in ihrer Frequenz schneller. Wie genau du die Übung aufbauen und die Hilfen geben musst, damit dein Pferd die Tritte wirklich verlängert und nicht "verschnellert", zeigen wir dir in der entsprechenden Übung in diesem Kurs.
Die Lektion Tritteverlängern trainiert insbesondere den M. glutaeus medius, aber natürlich auch weitere wichtige Muskeln der Hinterhand wie beispielsweise den M. quadriceps femoris, was in Bezug auf Kniethemen interessant sein kann.

Der Vorschub findet in dem Moment statt, in dem ein Hinterbein sich in der hinteren Stützbeinphase vom Boden abdrückt und den Pferdekörper damit wortwörtlich vor sich herschiebt. 
Macht ein Pferd immer nur abgekürzte Trabtritte, bei denen sich das Hinterbein naturgemäß eben nie hinter seinem eigenen Rumpf befindet, kann es diesen auch nicht vorwärts schieben und entwickelt es auch überhaupt keine Schubkraft.


Beim Tritteverlängern geht es darum, die Schubkraft des Pferdes sanft zu wecken und das Bewegungsspektrum des Pferdes in ganz vielen kleinen Tempounterschieden sukzessive zu erweitern und nach und nach die oben genannten Muskeln zu trainieren. Ziel dabei sind immer raumgreifendere Bewegungen mit ausgeprägten hinteren Stützbeinphasen, weil sich in eben diesem Moment des Bewegungsablaufes die wichtigen Muskelgruppen trainieren.
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